Dieter Rübsaamen - Werkgruppen 1957 - 2007
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Vorwort

Die Welt ist, weil wir sie sehen. Wir sind mit ihr verbunden durch unsere Wahrnehmung. Wir sehen zum Beispiel, wie wir die Dinge berühren, und erkennen uns dadurch als Teil der Welt. Dass die Dinge, die sichtbar sind, auch existieren, ist eine elementare Grundforderung in unserem Verhältnis zur Welt. Mit der Annahme, dass das Sichtbare Realität und Wahrheit beansprucht, melden sich aber ebenso unmittelbar die Zweifel, vielleicht ist das Sichtbare nicht das Ganze, verbirgt sich im Sichtbaren das Andere, das Größere oder die Täuschung, dehnt sich im Unsichtbaren die Unendlichkeit, erscheint im Faktischen nur eine der Möglichkeiten der Realität, und vielleicht gibt es gar keine für alle verbindliche und gleiche Realität, sondern nur eine Vielzahl jeweils subjektiver Anschauungen.

Dieter Rübsaamen setzt sich mit dieser Ungewissheit der Welt auseinander, sucht an den Grenzen des Sichtbaren und über sie hinaus, will sich der Realität auch dort annähern, wo sie sich entzieht. Er will dem Unsichtbaren lauschen und es Bild werden lassen. Sein Werk ist dabei so vielfältig und offen wie der Gegenstand, den es untersucht. Wechselnde Perspektiven produzieren verschiedene Wahrheiten, die Dinge sind nicht statisch, so bewegen sich auch Rübsaamens Bilder in einem unabschließbaren Prozess. Die unterschiedlichsten Materialien finden Verwendung, zivilisatorische Relikte, Protokolle, Pläne, Diagramme, Dinge, die früher eine Bedeutung hatten und nun von Rübsaamen neu gedeutet werden. Er befragt Kunst, Literatur, Philosophie, Natur- und Humanwissenschaften, Informationstechnologie nach ihren Vorschlägen. Er bedient sich der Sprache als Zeichensystem und benennt ihre Grenzen, arbeitet am Bild, denn auch das bildhafte Denken führt zur Erkenntnis. Seine Annäherungen erfolgen aus verschiedenen Richtungen. Rübsaamen will im Anschaulichen über das Anschauliche hinaus. Seine Kunst soll erfahrbar machen, dass auch Empfindungen, Gedanken, Unbewusstes die Wirklichkeit und ihre Wahrnehmung bestimmen.
Er geht dabei wie ein Forscher vor, mit dem gleichen Anspruch auf Genauigkeit und Erkenntnis. Ausführlich befasst er sich mit den Naturwissenschaften und ihrem Problem, Sprachen, Modelle, Zeichen zu finden, um das Nicht-Sichtbare darzustellen. Für die hier abgebildete Werkgruppe überarbeitete er unter anderem Fotos, die er im europäischen Laboratorium für Teilchenphysik CERN machte. Die dort betriebene Erforschung der kleinsten Bausteine der Materie, die Aufschluss über die Gesetze des Universums geben soll, führt in Bereiche, die immer weniger der bildhaften Vorstellungskraft zugänglich sind. Indem das Wissen wächst, wächst offenbar auch das, was wir nicht wissen. Dieter Rübsaamen nimmt diese Offenheit und Ungewissheit an und gewinnt daraus die produktive Energie seiner Kunst.

Zu seinem 70. Geburtstag zeigt das Künstlerforum Bonn in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bonn eine umfassende Ausstellung, die Arbeiten von den fünfziger Jahren bis zur Gegenwart vereint. Wesentlich vom Künstler kuratiert, ist sie ein authentischer Rückblick und Ausblick auf ein vielschichtiges Werk, das immer wieder beginnt, das, weil es alle Möglichkeiten einbeziehen will, auf der Suche bleibt.

Volker Adolphs
     
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